Andreas Darsow: Der Doppelmord von Babenhausen

Wohnort Andreas Darsow Babenhausen Karte

Der Fall des Doppelmordes von Babenhausen ereignete sich am 17. April 2009 in der hessischen Gemeinde, wo ein Ehepaar in seinem eigenen Haus sein Leben verlor. Für dieses grausame Verbrechen wurde der Nachbar, Andreas Darsow, verantwortlich gemacht. Am 19. Juli 2011 sprach das Landgericht Darmstadt ein Urteil aus, das Darsow wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte. Trotz verschiedener Versuche, das Verfahren wiederaufzunehmen, blieb dieses Urteil bestehen; der letzte Versuch scheiterte im Jahr 2020. Bis zum heutigen Tag weist Darsow jegliche Schuld von sich. Im Laufe der Zeit formierte sich um ihn ein Kreis von Unterstützern, bekannt unter dem Namen Monte Christo, der seit 2011 aktiv für seine Sache eintritt.

Tathergang

Am Abend des 17. April 2009 ereignete sich in der hessischen Kleinstadt Babenhausen eine Tragödie: das Ehepaar Klaus und Petra T. wurde in seiner Wohnung erschossen. Ihre geistig behinderte Tochter Astrid T., im Alter von 37 Jahren, wurde ebenfalls angeschossen, überlebte aber schwer verletzt. Die Täter, der in unmittelbarer Nachbarschaft lebende Andreas Darsow, wurde etwa ein Jahr nach der Tat festgenommen. Er und die Opferfamilie bewohnten nebeneinanderliegende Reihenhäuser.

Verurteilung

Im Zentrum der Ermittlungen standen angeschmauchte Bauschaumteilchen, die man am Tatort und an den Leichen entdeck hat. Diese Spuren führten die Ermittler zu der Annahme, dass der Täter einen selbstgefertigten Schalldämpfer benutzt hatte. Dieser bestand aus einer mit Bauschaum gefüllten Plastikflasche. Ein solcher Dämpfer konnte mithilfe einer Anleitung von einer Schweizer Webseite hergestellt werden. Diese rief Darsow wenige Wochen vor der Tat an seinem Arbeitsplatz auf und druckte sie aus. Sein auffälliges Verhalten am Firmencomputer, das Abweichen von seiner behaupteten handwerklichen Unfähigkeit, sowie das anschließende Verschwinden dieses Computers, machten ihn verdächtig. Weitere Beweise fanden sich in Form von Schmauchpartikeln an einer alten Bundeswehr-Hose, sowie persönlichen Gegenständen Darsows. Deren Zusammensetzung stimmte mit den Tatortspuren überein.

Die Opfer führten laut Gericht ein unauffälliges Leben. Sie hatten allerdings in den Jahren vor ihrem Tod zunehmend mit Problemen zu kämpfen. Petra T. litt unter Depressionen und Klaus T. wurde als eigenbrötlerisch beschrieben, der zudem mit finanziellen Schwierigkeiten und Alkoholproblemen zu kämpfen hatte. Ihre Tochter Astrid war in der Gemeinschaft aktiver und arbeitete in einer Behindertenwerkstatt. Das Familienleben war geprägt von nächtlichem Lärm, Geschrei und ungewöhnlichen Lauten, was laut Urteil die Lebensqualität der Darsows erheblich beeinträchtigte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Andreas Darsow aus Frustration über die anhaltende Lärmbelästigung handelte, während seine Familie nicht zuhause war. Er wurde schuldig gesprochen, die Familie ausgelöscht zu haben, um Ruhe zu erzwingen. Die Schwere der Schuld wurde besonders hervorgehoben, und sowohl Revision als auch Petitionen scheiterten.

Als belastende Beweise galten die übermäßig gereinigten Keller- und Garagenräume der Darsows, ihre vorherigen Beschwerden über Lärmbelästigung und der abrupte Stopp ihrer Umzugspläne direkt nach der Tat. Nachbarliche Bestätigungen der Lärmbeschwerden und Darsows widersprüchliche Erklärungen für den Gebrauch von Ohrstöpseln stärkten die Überzeugung des Gerichts von seiner Schuld. Außerdem verhielt er sich nach der Tat ebenfalls verdächtig, als er sich über rechtliche und forensische Themen informierte.

Kritik am Urteil

  1. Fehlende DNA-Spuren: Am Tatort hat man keine DNA-Spuren von Darsow gefunden. Dies wirft Fragen auf, wie ein Täter so ein brutales Verbrechen verüben konnte, ohne biologische Spuren zu hinterlassen.
  2. Keine direkten Zeugen: Niemand hat die Tat beobachtet, und die Mordwaffe wurde nie gefunden. Dies macht das Urteil zu einem reinen Indizienprozess.
  3. Widersprüche bezüglich des Nachbarschaftsstreits: Während das Gericht den Mord mit einem anhaltenden Nachbarschaftsstreit begründete, bezeugten andere Nachbarn, dass ein solcher Streit nicht existierte. Darsow hatte jedoch Arbeitskollegen von Ruhestörungen durch die Familie T. erzählt.
  4. Unzuverlässige Zeugenaussagen: Die überlebende Tochter Astrid T. sprach im Krankenhaus von „den Tätern“, nicht von einem einzelnen Täter. Sie reagiert außerdem nicht auf ein Foto von Darsow.
  5. Mögliche Verwechslung bei Internetrecherche: Der IT-Administrator von Darsows Arbeitsplatz, der sich privat für Waffentechnik interessierte, räumte ein, möglicherweise selbst die Webseite mit der Schalldämpferanleitung aufgerufen zu haben.
  6. Zweifel an der Verwendung eines selbstgebauten Schalldämpfers: Kritiker bezweifeln, dass der Täter tatsächlich ein aus einer Plastikflasche und Bauschaum gebastelter Schalldämpfer verwendet hat. Die Relevanz der Bauanleitung wird somit infrage gestellt.
  7. Winzige Schmauchspuren: Die am Tatort gefundenen Schmauchspuren waren sehr klein. Sie könnten seit Darsows Bundeswehrzeit an seiner Kleidung haften oder durch Polizeibeamte eingebracht worden sein.
  8. Bedrohungsgefühl des Opfers: Klaus T. fühlte sich bedroht und suchte aktiv nach Wegen, sich zu schützen, was auf andere potenzielle Täter hinweisen könnte.
  9. Privatgutachten: Die Ehefrau von Darsow legte Gutachten vor, die die Wahrscheinlichkeit der im Urteil angenommenen Schalldämpferkonstruktion infrage stellen.
  10. Belohnung für Hinweise: Eine Belohnung wurde für Hinweise ausgesetzt, die zur Aufklärung des Falls oder zur Entlastung Darsows führen könnten.
  11. Kritik an der Ermittlungsführung: Ein Brief des Bürgermeisters von Pfungstadt und ehemaligen Mitglieds der Sonderkommission wirft dem Polizeipräsidenten vor, sich voreilig auf Darsow als Täter festgelegt zu haben. Das führte zu einer Anklage wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses.

Wiederaufnahmeverfahren

Das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Andreas Darsow wurde vom renommierten Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate vorangetrieben. Dieser schließt zwar eine Täterschaft Darsows nicht gänzlich aus, erachtet die Grundlage seiner Verurteilung jedoch aufgrund der vorhandenen Beweislage als unzulässig. Im Mai 2018 reichte Strate beim Landgericht Kassel einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein. Dieser Antrag stützte sich auf neue Privatgutachten, die die Wahrscheinlichkeit eines am Tatort verwendeten, selbstgebauten Schalldämpfers aus einer PET-Flasche als gering einstuften und zudem dessen Eignung für diesen Zweck in Frage stellten.

Das Landgericht Kassel lehnte den Wiederaufnahmeantrag am 19. August 2019 ab. Gegen diesen Beschluss legte Strate umgehend Beschwerde beim Oberlandesgericht Frankfurt ein, welche jedoch am 25. Mai 2020 ebenfalls zurückgewiesen wurde. Ein weiterer Versuch, die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht durchzusetzen, scheiterte im Oktober 2020, da das Gericht den Antrag ohne Möglichkeit der Anfechtung ablehnte.

Parallel zu diesen Bemühungen um ein Wiederaufnahmeverfahren verfolgte das Land Hessen einen Schadensersatzanspruch gegen Darsow. Für die Behandlungskosten der bei dem Anschlag schwer verletzten Tochter soll er für etwa 70.000 Euro zahlen. Darsow sah in dem Zivilprozess eine Chance, den Strafprozess neu aufrollen zu lassen. Das Landgericht Darmstadt gab in seiner Verhandlung am 9. März 2022 der Klage des Landes in vollem Umfang statt. Dabei lehnte es eine neue Beweisaufnahme ab, ohne dass Darsow selbst anwesend war. Gegen dieses Urteil legte Darsow Berufung ein, die vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verhandelt wird. Die ursprünglich für den 18. Januar 2023 anberaumte Berufungsverhandlung musste jedoch wegen des unerwarteten Todes eines Vertreters des Landes Hessen verschoben werden.

Am 6. Dezember 2023 entschied eine Zivilkammer des hessischen Oberlandesgerichts in zweiter Instanz, dass Darsow als Täter angesehen wird. Dem Land Hessen wurden etwa 69.000 Euro an Entschädigungen zugesprochen. Diese Entscheidung betrifft Waisenrente und Arztkosten für die überlebende Tochter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, wodurch der Fall weiterhin juristische und öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.

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